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17. Januar 2024

Lorenzo Vinciguerra – Tiere zum Leben erwecken

Hinter den Kulissen des Naturmuseums Olten

Lorenzo Vinciguerra, Tierpräparator, Grub SG

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Lorenzo Vinciguerra bei der Präparation eines Baummarders. Bild: Naturmuseum St. Gallen

Lebensechte Tierpräparate aus Meisterhand

Mit seinem handwerklich-gestalterischen Geschick erweckt Lorenzo Vinciguerra seit vielen Jahren Tiere zu neuem Leben. Seine Präparate sehen aus wie lebendig gewordene Momentaufnahmen. Er schafft es, seine Tierpräparate voller Spannung und Ausdruckskraft aussehen zu lassen. So ermöglicht er Museumsbesuchern eine direkte Begegnung, gerade auch mit scheuen oder seltenen Arten. Mit dem Naturmuseum Olten verbindet Lorenzo eine langjährige Zusammenarbeit. Jüngst hat er fast alle Präparate der Sonderausstellung «Wow … ein Dachs!» für uns hergestellt.

Interview mit Lorenzo Vinciguerra, zoologischer Präparator

1. Lorenzo, was macht die Faszination der Tierpräparation für Dich aus?

Es ist die Vielfalt der Arbeit. Jedes Tier könnte ich anders gestalten. Jede Stellung ist eine neue Herausforderung. Selbst an meinem letzten Arbeitstag könnte ich einen Auftrag für ein Tier, das ich noch nie oder nie in dieser Position präpariert habe, auf dem Tisch haben.

2. Die Tierpräparation ist ein anspruchsvolles, aber auch sehr vielfältiges Handwerk. Welche Voraussetzungen braucht es, um ein lebensechtes Tierpräparat (eine sogenannte Dermoplastik) herzustellen?

Es geht primär darum, das Arttypische des einzelnen Tieres zu erkennen und das bei der Präparation umzusetzen. Dazu sind ein sauberes Handwerk und anatomische Kenntnisse des einzelnen Tieres nötig.

3. Wie bist Du zur Tierpräparation gekommen und hast Du diesen Beruf gelernt?

In jungen Jahren hatte ich während der Ferien die Werkstatt eines Tierpräparators entdeckt. Diesen besuchte ich regelmässig in meiner Freizeit. Nach der Grundschule absolvierte ich eine 4-jährige Berufslehre bei einem Präparator.

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Beim Trocknen der fertigen Tierpräparate halten lange Stecknadeln die gegerbten Felle an Ort und Stelle. Die Zunge für den Dachs mit offener Schnauze (rechts vorne) liegt schon bereit. Bild: Lorenzo Vinciguerra

4. Nun aber zur Sonderausstellung «Wow … ein Dachs!». Die ausgestellten Präparate stammen fast alle von Dir. Wie viele Stunden dauert es, einen Dachs zu präparieren?

Je nach Körperstellung benötige ich für ein Dachspräparat zwischen 16 und 20 Arbeitsstunden.

5. Welche Arbeitsschritte folgen aufeinander?

Der frische Dachs wird abgezogen, gehäutet. Die Haut wird gut gewaschen, gesalzen und gegerbt, wobei ich diesen letzten Arbeitsschritt in einem Fachbetrieb machen lasse. Vom nackten Körper nehme ich die Masse und baue eine vorgefertigte Schaumform aus Polyurethan um. Die gegerbte Haut wird überzogen, aufgeklebt und zugenäht. Zum Schluss werden die Glasaugen eingesetzt und mit Nadeln fixiert. Nach dem Trocknen werden die Nadeln entfernt, und die nackten Hautpartien etwas nachkoloriert.

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Modell eines aufrechten Dachses aus Polyurethan mit braunen Stellen (dort hat Lorenzo das Modell verändert). Dachse richten sich auf, um zum Beispiel an reife Trauben oder Maiskolben zu gelangen. Bild: Lorenzo Vinciguerra

6. Gab es ein Dachspräparat, das besondere Herausforderungen mit sich brachte?

Da Dachse wenig Gesichtsausdruck haben, war die Hauptsorge die eigentliche Stellung für jedes Präparat zu finden. Bildmaterial, die diese Stellungen genau wiedergeben, war schwer zu finden.

7. Woher stammen die Dachse, die Du präpariert hast?

Die meisten Dachse wurden mir gefroren geliefert. Diese stammten entweder aus der einheimischen Jagd oder von Wildunfällen.

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Allzu oft sind nachtaktive Tiere wie Dachse oder Igel Unfallopfer im Strassenverkehr. Als Tierpräparate bekommen sie ein zweites Leben und dienen als wertvolle Anschauungsobjekte. Bild: Lorenzo Vinciguerra

8. Was kann ein echtes Tierpräparat, im Gegensatz zu einem Modell oder einem guten Foto leisten?

Ein Präparat zeigt das Tier, sofern es gut präpariert wurde, so wie es ist. Es vermittelt seine eigentliche Grösse, die korrekte Färbung und wie sein Fell oder Gefieder strukturiert ist.

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Der Dachs trägt ein dichtes Fell aus einzelnen schwarz-weissen Haaren. Am Bauch allerdings ist es lückig und die gräuliche Hautfarbe schimmert hindurch. Bild: Naturmuseum Olten

9. Die Tierpräparation hat eine lange Tradition. Nebst Naturmuseen hatten früher auch viele Schulen ihre eigene Sammlung einheimischer Vögel und Säugetiere für den Anschauungsunterricht. Es gab viel Arbeit für Eure Branche. Wie sieht das heute aus?

An Arbeit fehlt es nicht. Zum einen gilt es, Sammlungen zu betreuen, Reparaturarbeiten nach einer Ausleihe vorzunehmen oder neue Tierpräparate für Ausstellungen herzustellen. Naturmuseen sind ja auch Archive der Natur. So werden dort Funde von toten Tieren gemeldet, die schliesslich – wenn eine Präparation möglich war – als neue Dermoplastik, als Skelett oder als Fell in die Museumsammlung Eingang finden.

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Dieses Skelett stammt von einem Dachs, der in einem Kanal ertrunken ist. Bild: Naturmuseum Olten

10. Welches Tier würdest Du noch gerne präparieren und in welcher Pose?

Nachdem ich bereits Orang-Utan und Bonobo präpariert hatte, würde ich noch gerne einen alten Gorilla (Silberrücken) auf allen Vieren stehend machen.

Vielen Dank für das Interview, lieber Lorenzo!

Haus der Museen
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Konradstrasse 7
4600 Olten

Tel. +41 (0)62 206 18 00
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