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23. Februar 2023

Tiere der Eiszeit im Naturmuseum Olten

Naturmuseum Olten Steppe

Eiszeitliche Steppe und einige seiner Bewohner

Vor rund 20’000 Jahren lebten auch in der Region Olten kälteangepasste Tiere wie das Wollhaarmammut. Das belegen ihre Knochen und Zähne, die in eiszeitlichen Schottern gefunden werden.

Überreste, die von vergangenem Leben erzählen, faszinieren seit jeher. Schon im Mittelalter stiessen die Menschen auf Knochen und Zähne von Tieren aus der Eiszeit. Wegen ihrer Grösse sorgten sie für Aufsehen, wurden sie doch Riesen und anderen Fabelwesen zugeordnet.

Dass Riesen und Fabelwesen existierten, galt bis in die Neuzeit als selbstverständlich und die Knochenfunde waren der Beweis dafür. Ein Beispiel ist etwa der Luzerner Riese, der im Jahr 1577 in Reiden LU gefunden wurde.

Der Basler Arzt Felix Platter ordnete diese Knochenfunde dem Helvetus gigas zu und ein zeitgenössisches Bild dieses Riesen ist noch heute auf der Kappelbrücke zu sehen. Mehr als zweihundert Jahre später stellte sich heraus, dass es sich beim Fund von Reiden um die ersten in der Schweiz gefundenen Überreste eines Wollhaarmammuts handelte.

Tiere der Eiszeit: Im Schotter verloren – im Kies gefunden

Eiszeitliche Knochen und Zähne werden auch heute noch in der Region Olten gefunden und sind immer eine kleine Sensation. Beim Kiesabbau oder auf Baustellen im Aare- und im Dünnerntal treten sie gelegentlich zu Tage. Diese Knochen und Zähne stammen von Tierkadavern in den Gletschervorfeldern, die durch Schotter der Schmelzwasserflüsse zugedeckt wurden.

Eiszeitliche Tierskelette aus den Gletschervorfeldern blieben nicht als Ganzes erhalten. Als letztes, ruhiges Grab ist eine Flusslandschaft viel zu dynamisch. Wenn ein Tier aber schnell eingebettet wurde, blieben manchmal wenigstens Zähne oder Knochen einzelner Körperteile ganz und an Ort und Stelle zurück.

Dass ein Baggerführer aus der Führerkabine seines tonnenschweren Schaufelbaggers in der Kieswand einen Fund aus der Eiszeit entdeckt, grenzt an einen Lottosechser. Eine solche Meldung bekam das Naturmuseum Olten zuletzt im Mai 2022 aus der Kiesgrube Härkingen.

Naturmuseum Olten Gunzgen/Bonigen

Gunzgen/Bonigen 2017. Bild: Baustoffzentrum Olten / Zofingen BOZ

Der Knochenrest konnte schliesslich vergleichend anatomisch und biometrisch bestimmt werden. Es handelt sich um einen Humerus (Oberschenkel des Vorderbeins) eines Wildpferds. Auch die Altersbestimmung mittels 14C-Methode glückte dank des guten Erhaltungszustands. Das Wildpferd (Equus sp.), zu dem der Fund gehört, lebte vor 19’460 bis 19’000 v.Chr. in der Region.

Naturmuseum Olten Wildpferdknochen

Knochen eines eiszeitlichen Wildpferds in den Händen seines Finders Andy Wirz

Eiszeiten in Europa - Lebensraum Mammutsteppe

Das Eiszeitalter (Pleistozän) begann vor 2.6 Millionen Jahren und es reichte bis vor 11'800 Jahre. Als die «Eiszeittheorie» vor bald 200 Jahren entwickelt wurde, gingen die Wissenschaftler davon aus, es hätte vier Eiszeiten gegeben, später dann sechs. Heute ist bekannt, dass die Alpengletscher mindestens 15mal bis ins Mittelland vorstiessen.

Allein in der letzten Eiszeit, der Birrfeld-Eiszeit (von 155 000 bis 11 500 Jahre vor heute) fanden drei grössere Gletschervorstösse statt. Der letzte davon (30'000 bis 17'500 Jahre vor heute) sorgte für die ausgedehnteste Vergletscherung in der letzten Eiszeit und sein Höhepunkt vor 24'000 Jahren ist bekannt als LGM (Last Glacial Maximum).

Während der Eiszeiten war es aber keineswegs ständig kalt und nie lag die Schweiz gänzlich unter Eis. Es wechselten sich Kalt- und Warmphasen von einigen hundert bis mehreren tausend Jahren ab. In der letzten Eiszeit (Birrfeld-Eiszeit) sind mehr als 50 solcher Wechsel in Nordeuropa und auch für die Schweiz belegt.

Das Eiszeitalter war also eine Zeit grosser Klimaschwankungen. Entsprechend vielfältig sah dieser Lebensraum aus: Die Vegetation reichte von Tundra bis zu Eichenmischwald, wie wir aufgrund von Pollen- und Sporenanalysen wissen.

Naturmuseum Olten Buschtundra

Während Warmphasen in der letzten Eiszeit entsprach die Vegetation im Schweizer Mittelland einer Tundra. Bild: Jürg Alean, SwissEduc.ch.

In diesem dynamischen Lebensraum, geprägt von Schmelzwasser, Gletschervorstössen und Warmphasen, waren unterschiedlichste Tiere zu Hause. Das Naturmuseum Olten bewahrt Funde dreizehn verschiedener eiszeitlicher Tiere auf, die teilweise vor über hundert Jahren in der Region gefunden wurden.

Zu den wichtigsten Funden der eiszeitlichen Sammlung zählen:

  • die Stosszähne und der Unterkiefer eines Wollhaarmammuts von der Hardegg (Olten),
  • ein Stück Oberarmknochen eines Wollhaarnashorns (Härkingen) und
  • dein Atlas (erster Halswirbel) eines Moschusochsen (Olten).

Im Folgenden geben unsere besten eiszeitlichen Fundstücke Überraschendes und weniger Bekanntes über sie Preis. Knochen und Zähne verraten nämlich eine ganze Menge über ihre ehemaligen Besitzer.

Naturmuseum Olten Eiszeit Dauerausstellung

Bild: Mark Niedermann Photography

Fauna der Eiszeit im Naturmuseum Olten

Unser Oltner Wollhaarmammut

Kein anderes eiszeitliches Tier ist bekannter und besser untersucht als das Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius), das im Folgenden nur noch Mammut genannt wird. Mit seiner Schulterhöhe von bis zu 3.5 Meter war das Mammut das grösste Tier im Eiszeitalter. Damit war es etwa gleich gross wie ein heutiger Indischer Elefant, aber kleiner als ein Afrikanischer Elefantenbulle.

Seit über hundert Jahren ist das Mammut von der Hardegg in Olten eines der Glanzstücke im Naturmuseum Olten. Es besteht aus einem Schädelfragment mit den beiden Stosszähnen und dem Unterkiefer mit den Backenzähnen. Im Jahr 2016 konnte das Alter des Mammuts mittels Radiokarbondatierung (14C) bestimmt werden. Es lebte zwischen 17’420 bis 17’120 v.Chr.

Naturmuseum Olten Mammut Zähne

Erstpräsentation des Oltner Mammuts im Jahr 1913 im Naturhistorischen Museum Olten.

Die imposanten Stosszähne unseres Oltner Mammuts bestehen aus Elfenbein (Zahnbein oder Dentin genannt) und zeigen deutliche Abnutzungsspuren. Mit seinen Stosszähnen konnte das Mammut nämlich Büsche und kleiner Bäume umreissen oder Schnee und Eis wegkratzen, um Nahrung freizulegen. Übrigens hatten bereits Babymammuts mit etwa sechs Monaten fingerdicke Milchstosszähnchen. Mit 13–16 Monaten wurden sie allerdings durch die definitiven Stosszähne ersetzt.

Die Backenzähne des Oltner Mammuts sind schon ordentlich abgekaut. Trotzdem sieht man darauf die Lamellen aus Zahnschmelz, die arttypisch sind. Weil der dazwischenliegende Zahnzement viel weicher war, waren diese Lamellen mit der Zeit scharfe Klingen und vorzügliche Raspeln. Zunehmend abgenutzt und immer mehr frei liegend von der rauen Gräser- und Kräuterkost brachen die Lamellen allerdings irgendwann ab und waren schliesslich nutzlos. Und dann?

Im Elefantengebiss und auch bei den Mammuts schiebt von hinten ein nächster Backenzahn und ersetzt den alten. Der grössere neue Zahn schiebt den alten langsam nach vorne, wo dieser stückweise abbricht und ausfällt. Mammuts wechselten also wie die heutigen Elefanten fünf Mal ihre Backenzähne aus! So war stets nur ein Paar in Betrieb, statt alle Zähne gleichzeitig zu verschleissen. Ohne mehrmaligen Backenzahnwechsel wären die Mammuts irgendwann verhungert, weil sie ihre Nahrung zu wenig gut zermahlen hätten können. Mit immer wieder neuen Backenzähnen war ein Lebensalter von bis zu 60 Jahren möglich.

Naturmuseum Olten Zahnwechsel Elefanten

©Vetsuisse-Fakultät, UZH/ Pascal Glatzfelder, Vetcom

An unserem Mammut lässt sich eine weitere Besonderheit dieses eiszeitlichen Tiers zeigen. Weil der Schädel nicht als Ganzes erhalten ist, ist seine Knochenstruktur umso besser erkennbar. Wabenartig und löchrig sind die Schädelknochen. Ohne diese Leichtkonstruktion wäre der Mammutkopf im wortwörtlichen Sinn untragbar geworden. Dieser wog – mit den Stosszähnen, die wegen ihrer Länge und ihres Gewichts gut verankert sein mussten im massiven Oberkiefer – fast eine Tonne. Ein gewaltiges Gewicht also, das die Nackenmuskulatur des Mammuts im Gleichgewicht zu halten hatte!

Naturmuseum Olten Oltner Mammut

Unterkiefer und Schädelfragment eines Wollhaarmammuts im Naturmuseum Olten

Das Naturmuseum Olten bewahrt auch wenige Originalstücke des sogenannten Beresowka-Mammuts auf. Im Jahr 1900 hat ein Jäger an den Steilufern der Berjosowka in Sibirien den Kadaver dieses Wollhaarmammuts entdeckt. Dieser Fund, der in einer abenteuerlichen mehrmonatigen Forschungsexpedition schliesslich nach St. Petersburg gelangte, war damals das besterhaltene Mammut überhaupt, das je gefunden wurde.

Vom Beresowka-Mammut blieben nicht nur das Skelett, sondern auch der grösste Teil der Weichteile (inkl. Mageninhalt) und des Haarkleids erhalten. Das erste Mal zum Beispiel konnte ein gut erhaltener Schwanz untersucht werden. So ermöglichte das Beresowka-Mammut der Wissenschaft zahlreiche neue Erkenntnisse über diese eiszeitliche, ausgestorbene Tierart.

Eugen Pfizenmayer, Präparator und Mammutforscher, der die Expedition und Bergung begleitet hatte, hielt darüber 1920 einen «gediegenen Lichtbildervortrag» im damaligen Naturhistorischen Museum Olten, wie den Verwaltungsberichten zu entnehmen ist. Als Geschenk überliess Pfizenmayer dem Museum Fell- und Schwanzhaare des Beresowka-Mammuts, sowie 30 Originalfotografien.

Naturmuseum Olten Beresowka Haare

Eine dieser Fotografien zeigt ein merkwürdiges Kuriosum, die sogenannte Analklappe des Wollhaarmammuts. Vermutlich als Anpassung an das eiszeitliche Klima diente diese Hautklappe unter dem Schwanz dazu, den After zu verschliessen. So verhinderte das Wollhaarmammut Durchzug und damit verbundene Auskühlung.

Naturmuseum Olten Beresowka Analklappe

Schwanz, Analklappe und Penis des Beresowka-Mammuts

Wollhaarnashorn im Gäu

Ein Nashorn in unseren Breitengraden? Vor 20'000 Jahren graste das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) noch in der Region. Ein altersdatiertes Stück Oberarmknochen aus der Kiesgrube Untere Allmend in Härkingen, belegt, dass dieses eiszeitliche Tier, das ursprünglich aus Asien einwanderte, auch bei uns heimisch war.

Nebst diesem Fund bewahrt das Naturmuseum Olten sage und schreibe fünf Backenzähne und ein weiteres Stück Oberarmknochen auf, die mehrheitlich in Olten, Hammer bzw. in der Rötzmatt gefunden wurden!

Besonders dank Eismumien, die im Permafrost Sibiriens geborgen wurden, wissen wir über das Wollhaarnashorn viel. Das Skelett sowie Weichteilerhaltungen erlaubten Grösse und Gewicht, aber auch die Lebensweise dieser zotteligen Pflanzenfresser zu rekonstruieren.

Ein ausgewachsenes Wollhaarnashorn war etwa 3 Meter lang, hatte eine Schulterhöhe von circa 1.70 Meter und trug wie das Wollhaarmammut ein zotteliges, warmes Fell. Es wog zwischen 1.5 bis 2.9 Tonnen und benötigte über 100 Kilogramm Nahrung pro Tag. Einen Grossteil des Tages war es wohl damit beschäftigt, genügend Nahrung zu finden und zu fressen.

Das Wollhaarnashorn hatte einen grossen Kopf und trug diesen tief. Sein Gebiss war stark reduziert. Es besass nur noch je drei Vorder- und drei Hinterbackenzähne, aber keine Schneide- und Eckzähne. Solche Backenzähne zeigt das Naturmuseum zwei Stück in seiner Dauerausstellung, zusammen mit dem eingangs genannten Humerus.

Naturmuseum Olten Wollhaarnashorn

Backenzähne und Humerus eines Wollhaarnashorns im Naturmuseum Olten

Aber wie frisst ein Nashorn, wenn es keine Schneidezähne zum Abbeissen hat? Es benutzt dafür seine beweglichen, dicken Lippen zum Abrupfen von Gras, seiner Hauptnahrung. Im Winter frass das Wollhaarnashorn auch Blätter und Äste von Büschen und Sträuchern.

Gras ist eine raue, harte Kost. Durch die enthaltene Kieselsäure werden die Zähne von Grasfressern mit der Zeit stark abgenutzt. Entsprechend hoch und widerstandsfähig waren die Kronen der Backenzähne des Wollhaarnashorns. Für die eigentliche, chemische Verdauung waren beim eiszeitlichen Nashorn wohl wie bei den heutigen Nashörnern Mikroorganismen im Dickdarm besorgt.

Schliesslich noch zu den namengebenden Hörnern des Wollhaarnashorns. Das Horn an seiner Nase, das bis zu 1 Meter lang sein konnte, setzte das Wollhaarnashorn vermutlich vor allem zum Scharren ein. So oder so nutzte es sich wie bei den heutigen Nashörnern beim Fressen ab, weil es über den Boden schleifte. Darüber ob und welche Funktion das zweite kleinere Frontalhorn hatte, kann nur spekuliert werden.

Der Moschusochse vom Hammer

Aufregung im letzten Herbst, kurz vor der Vernissage der Ausstellung «Eiszeit»! Seit über 100 Jahren gehört ein Atlas (erster Halswirbel), der in Olten, Hammer gefunden wurde, zur eiszeitlichen Sammlung. Zwar schon 1916 als Überrest eines Moschusochsen Ovibos moschatus bestimmt, kam Zweifel auf, ob wir eine solche Rarität zu unseren Schätzen zählen dürfen.

Der Mochusochse war in der Eiszeit auch bei uns heimisch. Weil die Schweiz am südlichen Rand seines Verbreitungsgebiets lag, sind Nachweise bei uns sehr spärlich. Auf unsere Einladung reiste Loïc Costeur vom Naturhistorischen Museum Basel nach Olten an. Mit weiteren Halswirbeln anderer Rinderartigen als Vergleichsmaterial nahm er eine Nachbestimmung vor.

Naturmuseum Olten Moschusochse Nachbestimmung

Loïc Costeur überprüft zusammen mit Pia Geiger die Determination unseres Atlasknochens eines Moschusochsen. Beide halten einen solchen in Händen.

Im direkten Vergleich sehen die Halswirbel von Steppenwisent, Auer- und Moschusochse selbst für Laien unterschiedlich aus, weil sie verschieden gross, aber auch die Wirbelfortsätze unterschiedlich lang sind. Kein Zweifel! Praktisch auf den ersten Blick ist bestätigt, dass unser Atlas von einem Moschusochsen stammt. Experten wie Loïc Costeur entlockt ein einzelner Knochen aber eine ganze Reihe weiterer Geheimnisse.

Der Atlas des Moschusochsen ist massiv gebaut, rechteckig, kräftig, und zeigt kurze, nicht verlängerte Querfortsätze («Flügel»). Die Gelenkfläche, an die der Schädelknochen sich schmiegt, sind beim Moschusochsen nicht sehr konkav, und bilden eine breite Fläche aus. Das ist für die Stabilität des Kopfes generell und speziell während der Brunft für männliche Tiere sehr wichtig.

Naturmuseum Olten Atlas Moschusochse

Atlas des Moschusochsen vom Hammer, Olten, gefunden 1911

Moschus-Bullen galoppieren bei Rangkämpfen frontal aufeinander zu und prallen ihre Stirnen mit Wucht aufeinander. Diese Kopfstösse sind sehr heftig, der Atlas wirkt dabei als erster Stossdämpfer. Es geht um die Vormachtstellung in der Moschus-Herde. Wer gewinnt, paart sich und gibt sein Erbgut weiter.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Dornfortsatz des Atlas. Beim Moschusochsen ist der Dornfortsatz im Vergleich mit anderen Rinderartigen wie seine Querfortsätze reduziert. Das erlaubt weniger Bewegung zwischen Schädel und dem ersten Halswirbel und ist eine weitere evolutive Anpassung an die genannten Rangkämpfe vor der Fortpflanzung.

Schliesslich ist der Knochenfortsatz, an dem der lange Halsmuskel des Moschusochsen ansetzt, breit und kräftig. Dieser Muskel sorgt für die Stabilität des Kopfes und schützt letztlich die ganze Halswirbelsäule.

 

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