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26. April 2023

Pflanzenfresser – vom Leben als Vegetarier

Für die Vegetarier ist die Tafel am reichsten gedeckt. Überall findet sich Grünzeug, saisonal kommt in unseren Breitengraden ein reichhaltiges, veränderliches Angebot an Blüten, Früchten und Samen dazu. Wer nun aber meint, es sei ein Zuckerschlecken, Vegetarier zu sein, irrt. Die besonderen Anpassungen der Pflanzenfresser nimmt dieser Blogbeitrag unter die Lupe.

Lebensgrundlage grüne Pflanzen

In unserer Dauerausstellung sticht eine grüne Blätterwand, durch das Sonnenlicht schimmert, sofort ins Auge. Sie repräsentiert die Pflanzenwelt, Grundlage für alles tierische Leben. Durch Fotosynthese erzeugen grüne Pflanzen Traubenzucker und lebensnotwendigen Sauerstoff, die wir alle brauchen.

Je näher Tiere an der grünen Wand im Naturmuseum Olten stehen, umso unmittelbarer ist ihre Abhängigkeit von Pflanzen. An vorderster Front stehen Vegetarier, also reine Pflanzenfresser. Dazu zählen in unserer einheimischen Natur Nager wie Biber und Mäuse, Huftiere wie Reh und Rothirsch, aber auch Vögel wie Ringeltaube, Auerhuhn und Buchfink. Selbstverständlich gehören zu den Veggies aber auch Wirbellose wie viele Insekten und Schnecken, die ebenfalls ihren Platz in der Ausstellung haben. Nun also zur Sache!

Scharfe Zähnchen und starke Schnäbel– auch Veggies haben Biss

Als Vegetarier ist man scheinbar im Vorteil, weil es überall und jederzeit immer was zu fressen gibt. Der Biber Castor fiber zeigt, dass es ordentlich Biss braucht, sich einen grünen Leckerbissen zu besorgen! Das grösste einheimische Nagetier ist einer der prominentesten reinen Vegetarier in der heimischen Tierwelt. Ausgewachsen kann er über 30 Kilogramm auf die Waage bringen und mit seinem eigenartigen Schwanz, den Schwimmhäuten zwischen den Zehen der Hinterfüsse und seinen orangen Schneidezähnen ist er eine imposante Erscheinung. Zur bevorzugten Nahrung des Bibers zählen zarte Blätter, junge Triebe und die Rinde von Bäumen. Um diese zu erreichen, fällt er Bäume und zwar mit unglaublicher Bissgewalt! An einer Beisszange mit Biberschädel lässt sich diese in der Dauerausstellung ausprobieren.

Keineswegs nur an Weichhölzer wie Weiden in Gewässernähe, sondern auch an Obst- und Nadelbäumen oder Feldfrüchten wie Zuckerrüben und Mais tut sich der Biber gütlich. Beim Nagen nutzen sich seine Schneidezähne ständig ab. Praktisch, wachsen diese Zähne zeitlebens nach und schleifen sich an ihren Gegenspielern im Unterkiefer immerzu scharf! Bei den Wühlmäusen, ebenfalls Nagetiere, die vor allem Gräser, Kräuter und - je nach Art - auch Wurzeln und Samen verspeisen, wachsen übrigens auch die Backenzähne ständig nach.

Auch Schnecken erneuern ihr Fresswerkzeug ständig. Zum Fressen setzen sie eine Reibzunge, die Radula, ein. Sie ist mit Zähnchen besetzt und wird von verschiedenen Muskeln bewegt. Reihenweise werden abgenutzte Zähnchen auf der Radula bei Bedarf ersetzt, als Anpassung. So hat eine Schnecke etwa alle vier bis sechs Wochen eine komplett neu bestückte Reibzunge. Und wie klingt dieses Raspeln der Schnecke? Hör Dir die Weinbergschnecke beim Fressen an, im Tierstimmenquiz im Naturmuseum Olten!

Naturmuseum Olten Wildpferdknochen

Schnabelschau im Naturmuseum

In der Vogelwelt gibt es unzählige Beispiele von Nahrungsspezialisten. Die Schnabelformen sind Ausdruck davon. Schon Charles Darwin hat an Finkenvögel auf Galapagos beschrieben, wie die Entstehung von Arten vonstatten geht. Ihre unterschiedliche Ernährungsweise und damit einhergehende Verschiedenartigkeit ihrer Schnäbel spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Auch unsere einheimischen Finkenvögel zeigen deutliche Schnabelunterschiede. Wer bevorzugt es, Körner zu zerdrücken, Nüsschen zu knacken oder Samen aus den Zapfen von Nadelbäumen zu quetschen und schliesslich herauszupfen? Komm auf Schnabelschau! Kernbeisser, Buchfink, Gimpel und Fichtenkreuzschnabel freuen sich über Besuch.

Naturmuseum Olten Buschtundra

Grünzeug – keine leichte Kost

Unter den grossen Säugetieren gibt es etliche, die reine Pflanzenfresser sind. Das mutet geradezu widersprüchlich an. Grüne Pflanzenteile bestehen nämlich vor allem aus Zellulose, die für höher organisierte Lebewesen weitgehend unverdaulich ist. Rothirsch Cervus elaphus, Auerhuhn Tetrao urogallus, Feldhase Lepus europaeus, aber auch die Nase Chondrostoma nasus (ein Fisch), benötigen für die Nutzbarmachung ihrer grünen Pflanzenkost mikroskopisch kleine Bakterien und andere Einzeller. In vergrösserten, komplizierten Verdauungsapparaten mit Gärkammern wie Vormägen oder Blinddärmen wohnen diese Mikroorganismen. Sie spalten für ihre Wirte die Zellulose in verwertbare Nährstoffe auf. Ein solcher Verdauungsapparat ist der Wiederkäuermagen von Reh, Rothirsch und Gämse.

Naturmuseum Olten Eiszeit Dauerausstellung

Die Nase raspelt mit ihrer verhornten Unterlippe Algen von Steinen.

Wunderwerk der Natur - Wiederkäuermagen

Wiederkäuer wie das Reh Capreolus capreolus können rasch grosse Mengen an Grünzeug zu sich nehmen. Das Reh ist beim Fressen wählerisch und frisst nur wenig Gras, umso lieber dafür Blätter und Kräuter. Beim Fressen schluckt es die Pflanzenteile unzerkaut und zieht sich zum Verdauen zurück. Im Pansen, der ersten von vier Magenkammern, haben Bakterien bereits ihre Arbeit aufgenommen und mit dem Zelluloseverdau begonnen. Die spaltenden Bakterien sind unermüdlich am Werk, die Pflanzenfasern in kleinere Bestandteile zu zersetzen. Meist im Liegen würgt das Reh nun portionsweise die vorverdaute Pflanzenkost zurück in den Äser, wie ihr Maul in der Jägersprache heisst. Erst jetzt kommen seine hochkronigen Backenzähnen zum Einsatz. Sie zermahlen die ausgesuchte Nahrung, indem der Unterkiefer sich seitlich bewegt und sie übereinander reiben.

Naturmuseum Olten Mammut Zähne

Wunderwerk der Natur – der Wiederkäuermagen eines Rehs.

Ein zweites Mal hinutergeschluckt in den Pansen gelangt der Pflanzenbrei nun weiter in den Netzmagen. Die Oberfläche des Netzmagens, der zweiten Verdauungskammer, ist immens vergrössert. Sie besteht aus einem Gewebe an Zotten und Querwänden, die dem Netzmagen ein fast wabenartiges Aussehen verleihen. Hier findet einerseits die Zuckeraufnahme und andererseits das Sortieren des Nahrungsbreis statt. Nur fein Zerriebenes darf weiter in den Blättermagen. in dieser dritten Kammer wird dem Pflanzenbrei das Wasser entzogen. Im Labmagen (vierte Kammer) schiesslich werden unter Beimengung körpereigener Verdauungssäfte auch Eiweisse und Fette aufgespaltet und zu guter Letzt nimmt das Reh sie in seinen Dünndarm auf.

Wer hätte gedacht, dass Kräuter, Blätter und Gras so schwere Kost sind? Im Vergleich dazu ist der Magen eines Luchs Lynx europaeus, dem grössten Fressfeind des Rehs, geradezu klein. Aber schau selbst! In unserer Dauerausstellung sind die Verdauungsapparate dieses Räuber-Beute-Paars einander gegenübergestellt.

Naturmuseum Olten Zahnwechsel Elefanten

Die Querwände und Zotten des Netzmagens (links im Bild) sind gut erkennbar. Über letztere nimmt das Reh Zucker auf.

Doppelt gemoppelt – wie Hasen verdauen

Der Feldhase Lepus europaeus frisst am liebsten Gräser, Kräuter, aber auch Kulturpflanzen. Als reiner Vegetarier bedient auch er sich eines Kniffs. Er schickt seine Pflanzenkost zweimal durch den Verdauungsapparat: in der ersten Runde wird die Nahrung von Blinddarmbakterien vorverdaut. Dann frisst der Feldhase seinen ersten Kot. In der Fachsprache nennt sich dieses Verhalten Koprophagie. Bei der zweiten Darmpassage entzieht er den weichen Kotbällchen die Nährstoffe. Zurück bleibt nur die typische Hasenlosung. Sie sieht aus wie gepresste Heukügelchen.

PS: Fast auf jedem Spaziergang trifft man auf tierische Hinterlassenschaften. Aber zu wem gehört welcher Kot? Das Gaggi-Quiz im Naturmuseum Olten verrät es.

Naturmuseum Olten Beresowka Haare

Magensteinchen

Vögel haben keine Zähne. Nahrung zerkleinern sie vor dem Schlucken mit ihrem Schnabel. Zusätzlich behelfen sich einige Pflanzenfresser, darunter die Ringeltaube Columba palumbus, mit sogenannten Magensteinchen. Sie frisst gerne Getreidekörner, die sie aber mit ihrem Schnabel nicht enthülsen kann. Deshalb schluckt sie diese als Ganzes und genauso auch kleine Kieselsteinchen. In ihrem Muskelmagen sorgen die Steinchen für die mechanische Zerkleinerung. Verrückt, wie lang auch bei der Ringeltaube der ganze Verdauungsapparat ist! Er ist als Plastinat bei uns ausgestellt.

Magensteinchen kennt man übrigens auch von fleischfressenden Tieren wie Krokodilen oder Robben. Es ist nicht gänzlich geklärt, ob sie ebenfalls eine Funktion bei der Verdauung haben oder als Ballast zur Kontrolle ihrer Wasserlage dienen.

Naturmuseum Olten Wollhaarnashorn

Haus der Museen
Naturmuseum Olten
Konradstrasse 7
4600 Olten

Tel. +41 (0)62 206 18 00
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