Skip to main content
30. August 2023

Hinter den Kulissen des Naturmuseums Olten

Erster Interview-Partner ist Jost Schneider, Tier- und Dokumentarfilmer aus St. Gallen.

nmo blog 1 Film

Jost Schneider, Kameramann. © Margot Schneider

Für die Ausstellung «Wow ... ein Dachs!», einer Eigenproduktion des Naturmuseums Olten, arbeiten wir eng mit Jost zusammen. Die Vorbereitungen bis zur Vernissage am 11. Januar 2024 sind seit Monaten in Gange. Gerade haben wir die Dachs-Filme gemeinsam zusammengestellt und geschnitten. Einzelne Standbildaufnahmen daraus bebildern diesen Blog.

Jost Schneider hat schon als Jugendlicher Wildtiere vor der Haustüre beobachtet. Mit seinen Verhaltensbeobachtungen hat er bei «Schweizer Jugend forscht» und dem europäischen Pendant dieses Wissenschaftswettbewerbs brilliert. Seine Begeisterung für die einheimische Natur konnte er in seinen Berufen weitergeben. Als mittlerweile pensionierter Primarlehrer und immer noch als freier Kameramann unter anderem für Arte, BBC, SRF, ARD und ORF tätig, begleitet ihn diese Passion.

Seit über 10 Jahren filmt Jost nun schon Dachse am Stadtrand von St. Gallen. Im Gespräch leuchten seine wachen Augen, wenn er von den Begegnungen mit «seinen» Dachsen erzählt.

Interview mit Jost Schneider, Tier- und Dokumentarfilmer

1. Woher kommt Deine Leidenschaft für die Tierfilmerei?

Ich beobachte sehr gerne Tiere und besonders fasziniert mich das Verhalten der Tiere. Zuerst fotografierte ich. Dann merkte ich, es braucht Filmaufnahmen, um spannendes Tierverhalten zu dokumentieren.

2. Was fasziniert Dich am Dachs?

Dachse sind Nachttiere. Ihre Aktivität findet fast ausschliesslich in der Dunkelheit statt. Ich wollte erfahren, wie sich die Dachse in stockdunkler Nacht verhalten. Dabei halfen mir Wildkameras, die mit unsichtbarem Infrarot Licht Filmaufnahmen ermöglichen. Ich war fasziniert, wie Dachse miteinander umgehen, wie sie sich gegenseitig pflegen, wie sie Anteil nehmen bei einem verletzten Dachs oder merken, wenn ein Tier total erschöpft ist und Pflegeeinheiten nötig hat. Ich staunte, wie selbständig die Jungdachse sind, wenn sie nach ca. acht Wochen erstmals den Bau verlassen. Wie sich Dachse und Füchse gegenseitig tolerieren, zuweilen verjagen, gegeneinander drohen und trotzdem im gleichen Baukomplex wohnen und gar die gleichen Ein- und Ausgänge benutzen, erstaunte mich sehr.

nmo blog 2 dachsgruppe

Die Fellpflege nimmt viel Zeit in Anspruch und erfolgt oft im Kreis der Familie, vor dem Dachsbau.

3. Du arbeitest bei den Dachs-Aufnahmen mit Wildtierkameras, die im Wald draussen monatelang hängen bleiben. Wenn Du die SD-Karten auswechselst, muss das ein besonders spannender Moment sein, weil Du ja nicht weisst, was Deine Kamera festgehalten hat.

Es ist immer viel Spannung dabei, wenn ich die Kameras kontrolliere. Im Wald selber mache ich einen relativ kurzen Check, um die Aufnahmen zu sehen. So kann ich die Kamera vielleicht auch noch besser positionieren. Zu Hause am Computer wähle ich die guten Filmsequenzen aus und da kommen dann die dicken Überraschungen zum Vorschein. Zum Beispiel, wenn ein Fuchs einen Dachs attackiert. Oder ein Reh, das sich vor eine Dachshöhle niedergelegt hat und erschrickt als der Dachs die Höhle verlassen will. Aber auch heftige Spielszenen unter Dachsen oder Paarungsverhalten und Kampfverhalten. Dachse sind zuweilen wilde Kerle!

nmo blog 3

Jost Schneider beim Wechseln einer Speicherkarte. © Daniel Schifferli

4. Es würde über ein Jahr lang dauern, während dem Du täglich 8 Stunden Filme anschauen würdest, um alle Deine Dachs-Aufnahmen anzusehen. Gibt es trotzdem die eine Aufnahme, die Dich am meisten berührt hat?

Eine Dachsmutter, die Junge im Bau hat, kommt ganz erschöpft aus dem Bau. Mit offenem Maul steht sie da und hechelt nach Luft. Ein Weibchen aus der Dachssippe pflegt ausgiebig und minutenlang das Fell des erschöpften Muttertiers, das sich dann ganz entspannt hinlegt und die Pflege zu geniessen scheint.

5. Deine Wildtierkameras hängen weiterhin im Wald, wo «Deine» Dachse leben. Erlebst Du immer noch Überraschungen, also ein Verhalten des Dachses, das Du noch nie filmen konntest oder gar nicht kanntest?

Ich staune selber, wie ab und zu Filmsequenzen entstehen, die ich mir vorher nicht vorstellen konnte. Wenn zum Beispiel eine Dachsfähe ein Jungtier in eine andere Höhle trägt, ein Fuchs hinter einem Baumstamm lauert und einen Dachs verjagt oder eine Rehgeiss einen jüngeren Fuchs in die Flucht schlägt.

nmo blog 4 dachs gaehnt

Gewusst? Auch Dachse gähnen, wenn sie müde sind.

6. Es ist, wenn man nur einen einzelnen Dachs zu Gesicht bekommt, schwer zu sehen, ob es sich um ein Männchen oder ein Weibchen handelt. Erkennst Du Deine Dachse individuell? Und wenn ja, woran?

Dachse sehen in der Tat sehr, sehr ähnlich aus. Es gab aber Individuen, die ich an speziellen Merkmalen immer wieder erkannte. Zottel ein Männchen hatte ein abstehendes Haarbüschel am Unterkiefer, ein anderes Männchen hatte ein zerzaustes Ohr, das war für mich Schlitzohr. Ein Dachsweibchen war einige Zeit verletzt und hinkte stark, ich taufte es Hinkebein. Und dann gab es noch Einauge, ein Weibchen, das ein verletztes Auge hatte. Die Männchen haben einen breiteren, massigeren Kopf, so konnte ich wenigstens ausgewachsene Männchen und Weibchen voneinander unterscheiden.

nmo blog 5 dachse schlitzohr

Schlitzohr (links im Bild) pflegt Melesa.

7. Wie lange konntest Du einzelne Dachsindividuen beobachten?

Ein Dachsweibchen, das mehrmals erfolgreich Jungtiere aufgezogen hat, taufte ich Melesa. Diese Dachsfähe kenne ich seit acht Jahren. Durko, ein dunkel gefärbtes, kräftiges Männchen beobachte ich seit vier Jahren. Schlitzohr kenne ich seit drei Jahren. Interessanterweise sind über die Jahre hinweg immer etwa 12 bis 15 Dachse in der Familie. Einige Tiere werden abwandern.

8. Deine Dachs-Aufnahmen sind in der Ausstellung «Wow… ein Dachs!» zu sehen. Freust Du Dich?

Ich freue mich sehr, dass ich meine Beobachtungen einem breiten Publikum zeigen kann. Dachse sind so interessante Tiere, wie sie Höhlen graben, Polstermaterial in den Bau einziehen, sich gegenseitig markieren um einen „Familiengeruch“ zu haben, wie sie miteinander spielen, wie sie gegenseitig ihr Fell pflegen, wie sie kämpfen . . .  Wow … so leben Dachse!

nmo blog 6 bios

9. Und wie geht es nun mit «Deinen» Dachsen weiter?

Weiterhin bleibe ich neugierig, was im Wald geschieht und was die Dachsfamilie für neue Abenteuer erleben wird, zusammen mit den Füchsen und Rehen, die dort leben. Eiszeitliche Knochen und Zähne werden auch heute noch in der Region Olten gefunden und sind immer eine kleine Sensation. Beim Kiesabbau oder auf Baustellen im Aare- und im Dünnerntal treten sie gelegentlich zu Tage. Diese Knochen und Zähne stammen von Tierkadavern in den Gletschervorfeldern, die durch Schotter der Schmelzwasserflüsse zugedeckt wurden.

nmo blog 7 Jost

Wer die Natur beobachtet, wird immer wieder von Neuem belohnt. © Daniel Schifferli

Ausstellung «Wow ... ein Dachs!» des Naturmuseums Olten
Vernissage am 11. Januar 2024

Haus der Museen
Naturmuseum Olten
Konradstrasse 7
4600 Olten

Tel. +41 (0)62 206 18 00
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.